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Der neue Gründergeist

  • Writer: winfried-weber
    winfried-weber
  • Sep 29
  • 6 min read

von Helmut Schönenberger, Andreas Olmes, Winfried Weber

eingestellt auf meinem Blog mit freundlicher Genehmigung der Co-Autoren. Unveröffentlichtes Manuskript, in Auszügen abgedruckt in DIE ZEIT, 3.07.2025, S. 36 unter dem Titel „Seid gierig nach Neuem“,


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Deutschland ist zu einem Angestelltenland geworden. 46 Millionen Angestellte vertrauen auf die Vorteile der Festanstellung eines meist sicheren Arbeitsplatzes und guten Arbeitnehmerrechten. Sie tragen kein unternehmerisches Risiko. Mit durchschnittlicher Leistung bleibt die Gefahr des beruflichen Scheiterns gering. Dem stehen 4 Millionen Selbständige oder Unternehmer/-innen gegenüber, die direkt am Markt Lösungen für ihre Kunden anbieten und im Wettbewerb stehen. Ihr Handeln und ihre Innovationsfähigkeit leisten einen zentralen Beitrag, die Industrie, das Dienstleistungsgewerbe und das Handwerk am Laufen zu halten und damit den Wohlstand fürs Land zu sichern. Verebbt der unternehmerische Geist in einer Gesellschaft versiegt die Leistungserbringung. Kommen keine neuen Firmen und keine neue Wertschöpfung nach, vergreist die Wirtschaft.

Vor hundert Jahren sah die unternehmerische Landschaft bei uns noch völlig anders aus. In Teilen Südwestdeutschlands lag die Selbständigkeitsquote, man glaubt es kaum, vielerorts bei über sechzig Prozent. Auf den Wurzeln dieser dezentralen Wirtschaftsstruktur erwuchsen zigtausende von Exportfirmen und über tausend Weltmarktführer wie FESTO, KÄRCHER, TRUMPF und WÜRTH, die heute noch das Rückgrat des deutschen Geschäftsmodells bilden. Gleichwohl sind diese produzierenden Unternehmen immer heftigerem Wettbewerb ausgesetzt und verlieren öfter Marktanteile an Konkurrenten aus anderen Innovationsregionen wie den USA und China. Darüber hinaus können viele etablierte deutsche Unternehmen nicht mit den digitalen Innovationen aus Clustern wie Silicon Valley, Israel, Shenzen und Taiwan mithalten.

Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit hängen inzwischen massiv davon ab, wie gut und schnell wir das unternehmerische Potenzial unseres Landes (wieder) heben können. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat sich von Rang 4 (2014) auf Rang 24 (2024) verschlechtert (IMD).  Gelingt es uns nicht einen mutigen wirtschaftlichen Aufbruch zu starten und damit die industrielle Transformation zu bewältigen, stehen uns Dekaden der industriellen Verzwergung mit Verteilungskämpfen bevor, die unser Land weiter schwächen und darüber hinaus unseren demokratischen Zusammenhalt massiv gefährden.

Der Ruck in Richtung einer neuen Gründerzeit kann gelingen, wenn in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft die Kultur des Unternehmerischen revitalisiert wird. Deutschland hat die Chance, sich jetzt neu zu erfinden.

Der Blick der Autoren richtet sich dabei auf das Potenzial der zukünftigen Unternehmer, die Chancen ergreifen, ins Risiko gehen und Kunden und Mitstreiter für ihre Innovationen gewinnen. Wer an Hochschulen Unternehmertum lehrt oder als Startup-Investor mit jungen Gründungsteams zu tun hat, sieht, wie viel Potential unser Land hat. Viele junge Menschen wollen sich auf einen innovativen Weg machen und mit viel Begeisterung und Leidenschaft in die Fußstapfen der unternehmerischen Vorbilder wie Robert Bosch, Gottlieb Daimler, Carl von Linde und Werner von Siemens treten. Es gibt viel Grund für Optimismus. Unser Land hat herausragende Zukunftschancen, muss sie aber konsequent nutzen und sich als Gründernation neu ausrichten.  Hierzulande ist das Potenzial für junges Unternehmertum da. 40 Prozent der 14- bis 25-Jährigen können sich vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, so die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung. (Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Gründungsbereitschaft junger Menschen in Deutschland, 2024)

Was heißt das praktisch? Die Transformation der deutschen Wirtschaft hin zu einer Gründernation gelingt, wenn neben den Innovation Hubs in München, Berlin oder Heilbronn zehn bis zwanzig weitere Startup Factories ihre Arbeit im Schulterschluss mit innovativen Universitäten, Stiftungen und der Privatwirtschaft aufnehmen. All diese Startup Factories hebeln ihre lokalen Stärken der regionalen Innovationscluster und sind gleichzeitig national verbunden, um im internationalen Wettbewerb gemeinsam eine kritische Masse zu erreichen. Es gilt die nächste Generation von Gründern von der ersten Idee bis zum erfolgreichen Wachstumsunternehmen unter einem Dach zu begleiten - durch Business Plan Kurse, Prototypen-Werkstätten, Startup-Inkubatoren, Mentorenprogrammen bis hin zu Risikokapitalfinanzierungen und der Vermittlung von Partnerschaften zwischen etablierten und jungen Unternehmen. Allein an der TU München werden über 1000 Startup-Teams pro Jahr unterstützt und die über 2 Milliarden Euro an Risikokapital jährlich ein sammeln. Würde jedes Bundesland über eine UnternehmerTUM verfügen, wäre Deutschland eine der gründungsstärksten Nationen weltweit.

Gerade auch bei Risikokapitalgebern hat Deutschland noch Entwicklungspotential. Sie spielen eine wichtige Rolle als Know-how-Träger, Brückenbauer und Beschleuniger von Startup Factories. Wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Startups ist es, Erfolgsfaktoren für den Aufbau neuer Weltmarkführer von Beginn an zu berücksichtigen und möglichst schnell und effizient den Wachstumskurs zu steuern.

Einige goldene Regeln haben sich herauskristallisiert, die jedes Startup beachten sollte.  Gründe in einem großen und in einem wachsenden Markt. Gründe nur mit einer Technologie oder einem neuen Geschäftsmodell mit weltweitem Alleinstellungsmerkmal, denn Innovation ist der Schlüssel zum Erfolg. Gründe nur mit geschützter Unique Selling Proposition (USP): Patente, Entwicklungsvorsprung und/oder geheime Rezepte sind essenziell, um den eigenen Vorteil vor Nachahmern zu schützen. Gründe nur mit einer Product-Market-Fit-Person auf Gründerteam-Ebene. Gründe zudem, wenn irgend möglich, anfänglich mit etwas eigenem Cash. Eigenes Kapital ist wichtig, um überhaupt anzufangen und die allerersten Geschäftsideen zu testen. Der Fokus muss dabei darauf liegen, den Product-Market-Fit zu finden. Erst wenn der PMF erreicht ist, werden im Idealfall die weiteren Schritte wie Finanzierung, Sales, Company-Building, Skalierung und Expansion in Angriff genommen. Diese Regeln bieten eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmens-gründung. Wer sie beachtet, erhöht enorm seine Chancen, ein nachhaltiges und wachstumsstarkes Unternehmen aufzubauen.

„Rerum novarum cupidus – gierig nach Neuem“ kann der Leitstern einer neuen Gründerzeit sein, wie es Peter Drucker 1985 in Innovation and Entrepreneurship formulierte. Entrepreneure sind der Motor für eine marktwirtschaftliche, wettbewerbsfähige und Wohlstand-fördernde Wirtschaft. Schon dreißig Jahre zuvor sagte Drucker voraus, worauf es bei der Wirtschaft einer liberalen Moderne ankomme, und was das kommunistische Modell werde scheitern lassen - der Mangel an effektivem Management. Nur das permanente Systematic Abandonment (The Practice of Management, 1954) erhalte die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens - später von Drucker als Frage an Jack Welch (CEO von General Electric) formuliert: „Wenn Sie nicht bereits in diesem Geschäft wären, würden Sie es heute betreten? Und wenn die Antwort nein lautet, was würden Sie dann tun?“

Der neue Gründergeist ist schon erkennbar. Die Zahl deutscher Startups mit Milliardenwert hat sich innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als verdoppelt. Der Gründergeist entwickelt sich weiter, wenn bei einer Entwicklung hin zu einer Gesellschaft, die von Unternehmertum, Innovation und Dynamik geprägt ist, vier Faktoren zusammengreifen.

Die besten Talente gehören in die Startups und F&E-Teams. Für die Talentförderung benötigen wir einen Wandel in Institutionen und Strukturen und zur Umsetzung einer Entrepreneurship-Entwicklung völlig neue Ansätze und Anreize allerorten. Zu Deutschlands dezentraler Wirtschaftsstruktur passen länderspezifische Modelle wie UnternehmerTUM, die neue Gründungscluster und eine kritische Masse generieren sowie neue Formen von Startup-Finanzierungen, wie es der High-Tech Gründerfonds vormacht.  Die zivilgesellschaftlichen Wurzeln eines Gründergeists und die Kultur des Unternehmerischen sind vorhanden. Es gilt sie in Medien, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und insbesondere wieder im Alltag, d.h. in der breiten Bevölkerung zu revitalisieren. Nochmal mit Peter Drucker (California Management Review, 1999), „wer die Produktivität des Wissens meistert, wird das 21. Jahrhundert beherrschen.“ Nicht zuletzt gilt es angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Spannungen eine europäische Vernetzung aller Gründungsinitiativen voranzutreiben und sich für Talente aus aller Welt zu öffnen, die in einer offenen Gesellschaft leben wollen. Generationen von Europäern emigrierten einst nach Westen. Wenn Europa sich seiner liberalen Werte besinnt, können sich auf unserem Kontinent neue Cluster für Gründerinnen und Gründer von morgen entwickeln.

Deutschland kann sein Deep-Tech-Ecosystem bis Ende des Jahrzehnts zu einem bestimmenden Wirtschaftsfaktor revitalisieren, die Anzahl der Startups, Deep Tech Unternehmen und aktive Investoren vervielfachen, wenn rasch regionale Innovations-Hubs (StartUp Factories) identifiziert und aufgebaut werden. Die neue Bundesregierung kann dazu beitragen, robuste Strukturen für eine Gründernation zu erstellen, Anreize für Investoren eine gründungsfreundliche Steuerpolitik zu schaffen (z.B. steuerfreie ESOP, VSOP, Anteile für Mitarbeiter), die staatlicher Beschaffung für Deep-Tech-Produkte via mindestens 10% aller öffentlichen Ausschreibungen für Pilotprojekte mit Startups zu öffnen und nicht zuletzt, warum nicht den Wandel mit digitalen Freihandelszonen, wie in Großbritannien und Polen schon praktiziert, zu ergänzen.

Beispiel für solche Zonen, gerade bei B2B-orientierter Hochtechnologie, wären das Feinmechanik-Cluster im Schwarzwald, die Ocean-Technology in Bremerhaven und Rostock, ein Akustik-Cluster in Niedersachsen oder die Medizintechnik im oberen Donautal.

Die neue Gründerzeit entsteht, wenn sich darüber hinaus die starren Grenzen von Unternehmen, Politik/Verwaltung und Bildung auflösen und Organisationen lernen, sich zu öffnen. Die nächste Wirtschaft sollte sich weniger am bislang bewährten Konstrukt einer starren Organisation und eher am Begriff des Netzwerks orientieren, in der der gute Ruf im Gründernetzwerk auch davon abhängt, ob man auch bereit ist, mehr zu geben als zu nehmen. Nur dann erhöht sich die Produktivität in den Startups und Wissensunternehmen. Der neue Gründergeist verlangt also ein anderes Mindset für jeden von uns, auf individueller Ebene ein klares Selbstmanagement - mit Zukunftsoptimismus, einem professionellen Umgang mit Fehlern, Fähigkeit zur Selbstorganisation, Selbstreflektion und einem Sinn für Dringlichkeit.

 

Die Co-Autoren Dr. Andreas Olmes, Physiker und PMFler ist Principal / Prokurist beim High-Tech Gründerfonds Prof. Dr. Helmut Schönenberger ist einer der Gründer und CEO der UnternehmerTUM GmbH und Vice President Entrepreneurship der TU München

 
 
 

1 Comment


Jane Ront
Jane Ront
Oct 12

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